Ausgangssituation und Problemdefinition

Spätestens mit der Baumkontrollrichtlinie der FLL 2004 ist die Regelkontrolle, also die regelmäßige visuelle Baumkontrolle vom Boden aus, in der Praxis von Städten, Gemeinden und vielen Unternehmen mit großen Baumbeständen angekommen. Zur Erfassung und Verwaltung dieser Baumbestände haben sich IT-basierte Baumkataster einen Markt erobert. Die angebotenen Lösungen kommen von einer Vielzahl von etablierten Anbietern und unterscheiden sich zum Teil sehr stark.

Ein Baumkontrolleur muss die Softwarevorgabe des Auftraggebers bedienen.

Fast alle Hersteller von Katasterlösungen bieten die Möglichkeit, über ein mobiles Endgerät Bäume zu einem Kataster zu erfassen, bzw. im Zuge der Regelkontrolle ein sogenanntes Baumblatt oder Regelkontroll-Protokoll auszufüllen. Leider können in den meisten Fällen Katasterlösungen des einen Anbieters nicht mit der mobilen Lösung eines anderen Anbieters gemischt werden. D.h. Katasterverwalter und der beauftragte Regelkontrolleur müssen mit der gleichen Software arbeiten. Diese wird über die Ausschreibung vom Katasterverwalter vorgegeben. Angesichts von Lizenz-, Wartungskosten etc. ist es für einen Regelkontrolleur finanziell jedoch kaum machbar verschiedene Katasterlösungen zu nutzen, was notwendig wäre um mehrere Auftraggeber bedienen zu können.

Dieses Problem existiert auch in anderen Branchen und wurde in manchen durch die Einführung öffentlich zugänglicher Standards gelöst (Beispiel: Bauausschreibungen nach GAEB). Diese Lösung lässt sich auch auf die Baumkontrolle übertragen: Mit einem standardisierten Katasteraustauschformat kann ein Datenaustausch zwischen den verschiedenen Katasterlösungen ermöglicht werden, wodurch Baumkontrolleure völlig unabhängig von den Softwarelösungen ihrer Auftraggeber arbeiten könnten.


Vorstellung des Austauschformats

Als Zielgruppen für das Austauschformat wurden die Nutzer von Baumkatastern, Anbieter von Regelkontrollen und Softwarehersteller identifiziert. Ausschreibungen von Regelkontrollen sollen unabhängig von der verwendeten Katastersoftware zu tätigen sein und damit den Anbietern von Regelkontrollen einen einfachen Zugang ermöglichen. Um diese Ziele zu erreichen, stehen eine Spezifikation für Softwarehersteller und ein Standard-Merkmalskatalog für Katasterverwalter zur Verfügung.

Die Spezifikation beschreibt den Inhalt und Aufbau des Austauschformats. Der Standard-Merkmalskatalog dient zum einfachen Anlegen einer Katasterstruktur, der sogenannten Katasterkonfiguration. Dafür werden aus dem Katalog einfach die vom Auftraggeber gewünschten Merkmale und Merkmalsausprägungen ausgewählt. Der Katalog enthält einerseits Merkmale, welche die Baumkontrollrichtlinie der FLL, Anhang B, sowie die Baumpflegemaßnahmen der ZTV-Baumpflege 2010 und 2017 abbilden. Andererseits wird das Portfolio durch Merkmale abgerundet, die sich in der Praxis als zweckdienlich herausgestellt haben.

Standard-Merkmalskatalog


Anwendungsfall

Nachdem die Katasterstruktur durch eine Auswahl von Merkmalen aus dem Standard-Merkmalskatalog festgelegt ist, kann der Baumbestand oder Teilbestände durch Dienstleister erfasst, bzw. für einen vorhandenen Bestand die Regelkontrolle an Dienstleister vergeben werden. Der Datenaustausch zwischen Kataster-Verwalter und Dienstleister wird an dieser Stelle mittels des hier vorgeschlagenen offenen Standards, unabhängig von Softwareherstellervorgaben, ermöglicht.

Datenaustausch mittels Austauschdatei

Dazu exportiert der Katasterverwalter einen Teil des Datenbestandes in eine Austauschdatei. Diese wird an den Regelkontrolleur übergeben. Der Regelkontrolleur importiert diese Austauschdatei in die eigene Software-Anwendung. Darauf basierend kann er eine Regelkontrolle oder auch eine Ersterfassung durchführen. Die Ergebnisse seiner Arbeit, also die erstellten Regelkontroll-Protokolle, werden vom Dienstleister wiederum in eine Austauschdatei exportiert. Diese sendet er dem Katasterverwalter zu, welcher sie nach positiver Prüfung durch die Katastersoftware importiert. So erhält er einen aktuellen Satz von Protokollen, welche er weiterverarbeiten kann, um entsprechende Maßnahmen für die Wiederherstellung der Verkehrssicherheit einzuleiten.


Technischer Hintergrund

Das Austauschformat kann als gemeinsame Sprache gesehen werden, welche sowohl von der Softwarelösung des Katasterverwalter als auch von der des Regelkontrolleurs verstanden wird. Wie auch bei natürlichen Sprachen gibt es dabei einen bestimmten Wortschatz (hier der Merkmalskatalog) sowie eine Grammatik, also Regeln, nach denen mit dem Wortschatz Aussagen gebildet werden können (hier das Austauschformat). Für diese Aussagen wurde der XML 1.0 Standard als Basis festgelegt, da dieser weit verbreitet und maschinell leicht zu verarbeiten ist. Somit definiert das Austauschformat Regeln, wie Aussagen über Merkmale mit XML ausgedrückt werden können.

Werden nun Daten aus einem bestehenden Kataster exportiert, erhält man eine Austausch-XML-Datei und eine aus der Katasterkonfiguration erstellte XSD-Datei. Zusätzlich zu den Daten in der XML- Datei wird auch eine Schema-Datei erstellt, die eine automatisierte Validierung der XML-Datei erlaubt, um diese hinsichtlich gewisser struktureller und inhaltlicher Vorgaben zu prüfen.

Austauschdatei in XML-Format


Limitierung

Der Fokus der bisherigen Arbeit lag rein auf dem Datenaustausch der Regelprotokoll-Daten. Weitere Daten, wie Verwaltungsdaten, sind bisher nicht vorgesehen. Daraus kann sich die Problematik ergeben, dass Informationen zur Person des Regelkontrolleurs nur bedingt weitergegeben werden können.

Im aktuellen Entwurf sind u.a. keine Merkmale als Pflicht-Merkmale definiert und es ist auch noch nicht spezifiziert, wie mit Fotos zur Dokumentation von Schäden umgegangen wird. Diese erste Version soll zum Austausch und Diskussion einladen und damit eine Tür öffnen.

Schlussendlich bleibt festzustellen, dass das Austauschformat nur dann zielführend ist, wenn eine kritische Menge von Kataster-Anwendungen das Austauschformat bedienen können. Aktuell nutzen viele Hersteller eigene, nicht offene Datenformate, was die Zusammenarbeit erheblich erschwert.

Offener Austausch zwischen verschiedensten Katasterlösungen


Ausblick

Mit der Verabschiedung des E-Government-Gesetzes in 2017 gewinnt das Thema Open Data weiter an Gewicht. Ziel davon ist es den Aufbau eines Daten-Ökosystems zu fördern, in dem die Verwaltung, die Wirtschaft und Zivilgesellschaft uneingeschränkt und entgeltfrei Zugang zu Rohdaten erhalten. Die Grundlage dafür bilden offene Standards und Prozesse.

Mit der fortschreitenden Digitalisierung und Vernetzung wird auch in der Branche der Baumkontrolle die Forderung nach einem strukturierten Datenaustausch zunehmen. Noch bietet sich die Möglichkeit, das Austauschformat selbst und in einem gemeinsamen Einvernehmen zu definieren. Mit diesem Vorschlag des Austauschformats, welcher unter der Lizenz Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0 International steht, wurde ein erster Schritt in diese Richtung unternommen. Es gilt jetzt, den Vorschlag in der Praxis zu testen und die Ergebnisse sowie das Austauschformat kritisch und konstruktiv zu diskutieren. Der Fokus der Diskussion sollte dabei immer darauf gerichtet sein, eine Lösung zu finden, die alle Beteiligten und Interessierten befriedigt.

Offener Austausch zwischen verschiedensten Katasterlösungen


Weiterführende Informationen

Wir hoffen, Ihr Interesse am Kataster-Austauschformat ist geweckt. Unter den nachfolgenden Links finden Sie noch einige weiterführende Informationen zum Thema: